Um sich an das eindrucksvolle Spektrum des UNESCO-Weltkultur- und auch des entsprechenden Weltnaturerbes des Landes Bulgarien umfassend herantasten zu können, lassen sich zunächst drei Themen schlagwortartig und gleichrangig benennen: Es geht um eine breite und aussagekräftige Palette an Geschichts- und Traditionszeugnissen, weiterhin um eine tiefe Verwobenheit zwischen Spiritualität und künstlerischer Ausdrucksform und drittens um ein bewusstes, sorgfältiges und nachhaltiges Umgehen mit Natur, mit biologischer Vielfalt und mit strengem und weitreichenden Artenschutz von Organismen und Lebewesen in ihrem natürlichen Schutzraum.
Die Altstadt von Nessebar zeugt von 3.000 Jahren Besiedlung direkt am Ort, Spuren der Thraker, Griechen, Byzantiner, Osmanen und der Geist der bulgarischen Identität aus verschiedenen Epochen lassen sich hier konkret erfahren, begehen und auch klar begreifen. Das Rila Kloster beeindruckt durch mehr als durch seine historische Tiefendimension. Um 930 gegründet, hat hier der bulgarische Nationalheilige Iwan Rilski seine Zeitgenossen mit seiner tiefen Spiritualität begeistert – und dies gilt auch für alle, die ihm im Laufe der Zeiten noch nachfolgten und die ihn auch heute noch als Schutzpatron an ihrer Seite wissen.
Kunstschätze von hohem Wert, Gemälde, Ikonen und Schnitzereien einer tiefen Frömmigkeit zeugen von faszinierender handwerklicher Kompetenz, Geduld und von kultureller Flexibilität, sind heute im Rila-Kloster ausgestellt und faszinieren Besucher aller Generationen aus geistlichen und weltlichen Kreisen. Ähnliche Impressionen aus den Felskirchen von Ivanovo lassen einen Besucher heute erahnen, wie sich Einfachheit, Religiösität und Glaubwürdigkeit in Gemeinschaft – auch umgeben von Widrigkeiten der Natur – miteinander auch in früheren Zeiten kombinieren ließen. Thrakergräber in Bulgarien zeugen von sorgfältiger Architektur, Ehrfurcht in der Herrscherverehrung und einem hohen Gemeinschaftssinn – bis in den Tod (und in das Jenseits) hinein.
Der älteste derzeit bekannte Nadelbaum, nämlich die älteste Kiefer der Welt steht in Bulgarien. 1.300 Jahre alt ist eine Schlangenhautkiefer, die im Pirin Nationalpark steht – und stammt somit in ihrem Ursprung aus einer Zeit, in der das Pirin-Gebirge noch nicht einmal in irgendeiner Form staatlich organisiert war. 233 Vogelarten und ein hohes Quantum an anderen Tierarten finden ihr sicheres Terrain auf 900 Hektar im Biosphärenreservat Srebarna. Bulgarien fasziniert – nicht nur in einer Weise, nämlich gleichzeitig als Treffpunkt vergangener und gegenwärtiger Kulturen, als Geschichtszeugnis per se und als Bewahrer der Umwelt. Für Besucher gilt somit: Nicht für den Kurzurlaub, sondern auch für längere Aufenthalte und für bewusstseinsbildende Prozesse ist dieses Land auch und gerade im Zusammenhang mit wichtigen und aktuellen Fragen der Globalisierung erkenntnisreich und vielfältig.
Kirche von Bojana
Die Bojana-Kirche aus dem ursprünglich 10. Jh. gehört seit 1979 zum UNESCO-Weltkulturerbe und zeichnet sich als Zeugnis der Kunstschule von Tarnowo aus. Die 89 Fresken aus dem Jahr 1259 repräsentieren eine humanistische Weltanschauung und stellen das Stifterehepaar, das Zarenpaar, den bulgarischen Nationalheiligen (Iwan Rilski) und rund 240 andere Personen dar. Geweiht ist die Kirche den Heiligen Nikolaus und Pantalejmon – heute wird sie als Filiale des Nationalen Historischen Museums genutzt. Das ehemalige Gotteshaus liegt 8 km vom Stadtzentrum Sofias entfernt und diente als bulgarisch-orthodoxes Gotteshaus.
Felsenrelief des Reiters von Madara
Der „Reiter von Madara“ ist das historisch älteste Dokument aus dem Bulgarien des Mittelalters und das einzige seiner Art in Europa, allerdings gibt es Entsprechungen in Asien. Es handelt sich um ein Monumentalrelief in der Nähe des Dorfes Madara aus dem frühen 8. Jh., welches sehr detailliert eine Jagdszene darstellt. Sorgfältige Inschriften sind in altgriechischer Schrift eingearbeitet, die die Identität des dargestellten Herrschers auf Khan Terwel (Regierungszeit 701 bis 718) eingrenzen. Im Jahre 1979 wurde der „Reiter von Madara“ dem Weltkulturerbe der UNESCO hinzugefügt und aktuell wird er auf der bulgarischen Euro-Münze als Motiv geprägt.
Felskirchen von Ivanovo
Fresken aus der Kunstschule von Tavorno – dies ist auch das Stichwort der Felskirchen von Ivanovo. Religiöse Abbildungen Johannes des Täufers, die Illustrationen anderer Heiligenviten und ebenso Darstellungen aus dem Leben Jesu Christi sind Gegenstand der humanistisch geprägten Fresken, die im 13. Jh. entstanden und Decken und Wände zieren. Die Felskirchen selbst fügen sich aus einer Gruppe von orthodoxen Kirchen, Kapellen und Klosterräumen zusammen – ursprünglich wurden die Berghöhlen bereits gegen Ende des 12. Jh. als Kloster des Erzengels Michaels durch den Eremiten Ioakim zur religiösen Niederlassung erklärt. 1979 sind die Felskirchen von Ivanovo von der UNESCO in den Status des Weltkulturerbes versetzt worden; seit 2002 sind sie zur Besichtigung zugänglich.
Thrakergrab von Kasanlak
1944 wurde es entdeckt, vor rund 2.500 Jahren scheint es errichtet worden zu sein: Das Thrakergrab von Kasanlak. Auffallend sind die beeindruckenden Wandgemälde, mit denen auch zukünftige Generationen noch von der Kulturbedeutung bulgarischer Stätten überzeugt werden können. Es ist letzten Endes die detaillierte Darstellung eines Lebenslaufs (nämlich des Beerdigten) – und auch einen Begräbnisfests selbst, welches durch Künstler seinerzeit festgehalten wurde. Um diesen Ort in seiner Unversehrtheit erhalten zu können, erstellte man rasch eine Nachbildung in direkter Nähe. 1979 erklärte die UNESCO das Thrakergrab von Kasanlak dem Weltkulturerbe zugehörig.
Altstadt von Nessebar
Eine Museumsstadt mit Gebäuden aus 3.000 Jahren Zeitspektrum – auch eine solche Besonderheit vermag Bulgarien zu bieten. In der Nähe von Borgas ist Nessebar gelegen – während im neuen Stadtteil der übliche
Alltag der modernen Zeit vor sich geht, ist der alte Teil der Stadt (vollständig auf einer Halbinsel gelegen) vollständig zum Freilichtmuseum erklärt worden (und, 1983, zum Weltkulturerbe der UNESCO). Nicht nur „typisch bulgarische“ Wohnhäuser aus dem 19. Jh. fallen auf – Erker, Balkone und Dachsimse sind gern genutzte Fotomotive -, sondern über die Grenzen des Landes bekannt sind vor allem die 40 Kirchen, von denen 11 vollständig, der Rest aber auch in Teilen als imposante Zeitzeugnisse aus vielen Epochen erhalten sind.
Biosphärenreservat Srebarna
Im Nordosten Bulgariens bietet das Biosphärenreservat Srebarna 233 Vogelarten und einer hohen Anzahl an Amphibien-, Reptilien-, Fisch- und Säugetierarten, die in vielen Fällen vom Aussterben bedroht sind, eine zuverlässige und vom Menschen unversehrte Heimat. Es sind dies insgesamt rund 900 Hektar, die den See mit einschließen – bereits seit 1983 ist das Gebiet von der UNESCO zum Weltnaturerbe erklärt worden. Feuchtwiesen und Sumpfland, Schilf und Seerosen – die Vielfalt und das Potential des einzigartigen Biotops ist hoch und für Besucher, die nicht nur von der äußeren Seite des Zauns die Vögel in ihrer freien Wildbahn zu beobachten beabsichtigen, steht auch ein direkt angeschlossenes Naturkundemuseum für weitere Erläuterungen zur Verfügung.
Pirin Nationalpark
Der Nationalpark Pirin erstreckt sich über 40.000 Hektar um das Pirin-Gebirge – höchster Punkt ist der 2.914 Meter über dem Meeresspiegel hohe Wichren und der älteste Nadelbaum weltweit ist die 1.300 Jahre alte Schlangenhautkiefer namens „Bajkuschewa Mura“, die als solche im Jahre 1897 1.930 Meter über dem Meeresspiegel entdeckt wurde. Der Nationalpark Pirin entspricht der „Natura 2000“, einer Richtlinie der Europäischen Union, mit der sich die Beteiligten flächenbezogen auf Arten-, Lebensraum- und Vogelschutz verpflichten. Dies traf 2010 auf 18 Prozent der gesamten Fläche der Europäischen Union zu.
Rila Kloster
Der Heilige Iwan Rilski gilt als Schutzpatron und Nationalheiliger des bulgarischen Volkes – ebenso ist er überhaupt der bedeutendste Heilige der bulgarisch-orthodoxen Kirche. Doch wo lebte, wirkte und starb er? Wesentlich für seine Biographie und für seine soziale Wirkung war die Gründung des Rila-Klosters, welches im Westen Bulgariens zwischen 930 und 940 gegründet wurde. Heute umfasst das Kloster (nach einigen baulichen Veränderungen, gerade auch im 19. Jh.) auch einen Museumsflügel mit sehr wertvollen Kunstschätzen, zeugt in beeindruckenden Exponaten von filigraner bulgarischer Holzschnitzkunst, blattgoldverzierter Wandmalerei und präsentiert zahlreiche Ikonen. Auch dieses Kloster gehört zum Weltkulturerbe der UNESCO.
Thrakergrab von Sweschtari
Im Jahr 1982 entdeckte man 42 Kilometer von Razgrad entfernt ein Thrakergrab aus dem 3. Jh. vor Christus, welches Dromichaites zu Ehren errichtet wurde. Dieser war um 300 vor Christus Herrscher einer Fläche, die das heutige Rumänien und Bulgarien abdeckte. Seit 1985 gehört dieses Grab zum UNESCO-Weltkulturerbe. Bedeutsam ist das Thakergrab von Sweschtari auch wegen der dort verwendeten Karyatiden (dies sind steinerne Frauenskulpturen, die – wie auf der Akropolis – anstelle von Säulen Gebäudestützfunktionen übernehmen).